Die Saatgutarbeit
Das gemeinsame Kulturgut der Menschheit
Wo sind wir?
Am Obergrashof, einem biologisch-dynamischen Hoforganismus im Dachauer Moos nördlich von München. Auf insgesamt 165 ha wachsen hier allerlei Gemüsearten für den Menschen, Gründüngung sowie Futterpflanzen für die Mutterkuhherde.
Außerdem finden pädagogische Tätigkeiten statt – und unsere Saatgutarbeit unter dem Dach des gemeinnützigen Vereins „Kulturpflanzenentwicklung Obergrashof“.
Wer sind wir?
Die konkrete Züchtungsarbeit am Obergrashof leisten Julian Jacobs und Urban Ewald.
Julian Jacobs ist Mitgründer der Gärtnerei Obergrashof und in dem Zuge seit über 30 Jahren mit Saatgutvermehrung und Züchtung intensiv befasst. Aus dieser Arbeit gingen bereits mehrere Sorten verschiedener Kulturarten hervor (u.a. Blumenkohl, Chicorée, Kohlrabi). Urban Ewald stieß nach Lehre, Studium und erster beruflicher Erfahrung im Jahr 2018 dazu. Durch die Ausgliederung der Saatgutarbeit aus der Gemüsegärtnerei und damit verbundene Vereinsgründung 2021 wollen wir die Züchtung vor Ort langfristig verankern und sie ihrem Charakter entsprechend gemeinnützig ummanteln.
Wir sind Züchtungsstandort des Kultursaat e.V., der die Aktivitäten von ca. 25 biolgogisch-dynamischen Gemüsezüchter*innen in Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden koordiniert.
Kulturpflanzenentwicklung — was heißt das?
Wir begreifen die Pflanze als lebendiges, mit Würde ausgestattetes Wesen, das mit seiner Umgebung in aktiver Beziehung steht und von Lebenskräften erhalten und gestaltet wird. Pflanzenentwicklung und Züchtung verstehen wir in diesem Sinne als intimen Austausch zwischen Mensch und Kulturpflanze, der von Wertschätzung und Respekt geprägt ist. Konkret bedeutet dies, phänomenologisch an der ganzen Pflanze auf dem Feld – „on farm“ – zu arbeiten, d.h. in biologisch-dynamisch gepflegten Zuchtgärten und Anbaubeständen. Dies umfasst sowohl praktische Selektionsarbeit wie auch die Forschungstätigkeit an den inneren Qualitäten der Pflanze.
Die über Jahrtausende entstandene Vielfalt an Kulturpflanzen betrachten wir als gemeinsames Kulturgut der Menschheit, das wir pflegen und weiterentwickeln möchten. In diesem Sinne lehnen wir biotechnologische oder juristische Werkzeuge zur Einhegung von Sorten ab.
Wir arbeiten an Saatgut und Sorten, die sich durch Lebendigkeit auszeichnen, die uns Menschen auf körperlicher, seelischer und geistiger Ebene nähren, die uneingeschränkt nachbaufähig („samenfest“) sind, die Spaß machen im Anbau und die lecker schmecken!
Pflanzenzüchtung on farm — wie funktioniert das?
Die Saatgutarbeit ist eingebettet in den biologisch-dynamischen Hoforganismus: Die Tierhaltung, die Fruchtfolge, die Präparatearbeit, nicht zuletzt das Miteinander der Hofgemeinschaft – der Hof als lebendiger Organismus kann sich in die Entwicklung der Kulturpflanzen einprägen. So entsteht Qualität!
Ein weiterer Vorteil der on farm – Züchtung ist die enge Zusammenarbeit mit dem Produktionsanbau der Gärtnerei Obergrashof. Ob Fenchel, Möhre, Blumenkohl oder Spinat: Die großen und professionell geführten Bestände der Gärtnerei ermöglichen uns eine gründliche und effektive Selektion von Elitepflanzen sowie die direkte Prüfung unserer Zuchtlinien im Vergleich mit handelsüblichen Sorten. Durch diese Verknüpfung besteht ein stetiger Austausch mit den Anforderungen des praktischen Anbaus. Die Berücksichtigung von Umwelteinflüssen wie Bodenverhältnisse, Düngungsniveau und Wetterlage bildet einen weiteren Grundpfeiler unserer Züchtungsarbeit.
Neben klassischen agronomischen Eigenschaften wie Ertrag und Widerstandsfähigkeit ist uns eine hohe Ernährungsqualität ein Anliegen. Daher legen wir in der Züchtung einen Fokus auf guten Geschmack und innere Lebendigkeit unserer Sorten zur Ernährung des Menschen auf körperlicher, seelischer und geistiger Ebene.
„Samenfest“ — was bedeutet das?
Der Begriff „samenfest“ ist eigentlich ganz einfach:
Er bedeutet zunächst schlichtweg, dass von einer Pflanzensorte Saatgut gewonnen und erneut ausgesät werden kann. Die Nachkommen einer samenfesten Sorte zeigen sich dann mit denselben Eigenschaften ihrer Eltern (z.B. Farbe der Tomate, Form der Möhre oder Backqualität beim Roggen) – die Eigenschaften sind stabil und über mehrere Generationen in der Sorte verankert.
Insbesondere beim Gemüse ist diese samenfeste Qualität jedoch mittlerweile die Ausnahme – auch im ökologischen Anbau.
In den letzten Jahrzehnten hat die konventionelle Pflanzenzüchtung vor allem beim Gemüse ganz überwiegend Hybridsorten entwickelt.
Hybridsorten lassen sich als eine Art „Einweg-Produkt“ verstehen: Im Züchtungsgang werden zunächst sogenannte Inzuchtlinien entwickelt, d.h. die Pflanze wird über mehrere Generationen mit sich selbst bestäubt – ein Vorgang, der bei fremdbefruchtenden Arten wie Kohl, Möhre oder
Zwiebelgewächsen natürlicherweise nicht vorkommt.
Diese Inzuchtlinien werden dann gekreuzt – das nun geerntete Saatgut ist das Verkaufs-Saatgut einer F1-Hybridsorte (F1 steht für Filialgeneration 1, also die erste Generation nach der Kreuzung).
Folgende Grafik verdeutlicht den Unterschied zwischen samenfesten Sorten und Hybridsorten:
Samenfeste Sorten stehen für eine konsequent ökologische Landwirtschaft, denn sie…
– … sind nachbaufähig,
-… garantieren Vielfalt auf dem Acker und Unabhängigkeit
in der Versorgung mit Saatgut und Lebensmitteln,
-…bergen Potentiale für die Züchtung zukünftiger Sorten,
-… überzeugen durch guten Geschmack und innere Bekömmlichkeit.
Lebensmittelqualität — was ist das?
Weitere Infos folgen.
Grundlagenforschung
Aktuelle Züchtungsprojekte und entwickelte Sorten am Obergrashof
Folgende Sorten wurden am Standort Obergrashof bereits entwickelt:
Blumenkohl
Sorten: Odysseus, Nuage, Tabiro, Daniel